Von mir zu hier –
der Weg ist kein Ziel



Trilogie





Teil 1 Barriere zu Werrikon

Aufs Velo, die Garagenauffahrt hoch, Rechtskurve, Linkskurve, dann links - rechts - links, schon bin ich auf der Hauptstrasse, Schwung aufnehmen, aerodynamische Haltung anpeilen, innere Bilder der Tour de France hochladen. Alles ist gut auf Kilometer eins. Ende Werrikon blinkt es aggressiv und rot, die Schranke senkt sich. Naturgesetz: Sie geht immer hinunter, wenn ich komme. Ein Zug fährt vorbei, ich wage zu hoffen. Die Schranke bleibt unten. Zweiter Zug donnert vorbei, sie bleibt unten, so muss es in der DDR gewesen sein. Ein Autofahrer lässt das Fenster runter und wirft seine Zigarette auf meinen Veloweg, hinter ihm steht ein verdreckter Lastwagen aus Litauen, der Fahrer hängt in seiner Kabine, das Warten scheint seiner Verfassung zu entsprechen. Der dritte Zug rast vorbei, die Barriere erbarmt sich unser, es tut sich was: Motoren werden gestartet, Körperspannung wird aufgebaut, Handbremsen gelöst, die Bremslichter des Vordermanns werden kalt fixiert. Wehe! Die Kolonne fährt an mir vorbei, keiner bleibt zurück, alles ist wieder gut.





Teil 2 Erkenntnis, vor dem Schulhaus

Der Velostreifen, knapp bemessenes Glück zwischen Schwerverkehr und Trottoirkante, freie Fahrt für freie Tretter – leider Nein, dem ist nicht so, der Wunsch war Vater des Gedankens. Vor der Primarschule steht ein schwarzes Ungetüm auf dem Velostreifen, ein Agglomonster. Die Beifahrertür wird geöffnet, der Filius plumpst schwer auf das Trottoir. Die Schwester folgt, flink und rank. Meine kurze Diagnose: wahrscheinlich Ballett. Zurück zum Wesentlichen. Die Kiste links überholen scheint unmöglich, stinkender Traktor mit Kolonne, Lebensgefahr. »Mach mal endlich«, fluche ich Richtung Fahrerin, »geh nach Hause wo du herkommst, nach Zug oder Zürichberg!«
Das sind keine Vorurteile, das sind bloss Emotionen.
Ich setze zum Überholen an, sie blinkt, fährt an, ich lasse mich zurückfallen. Sie fährt nicht los. Der Krieg beginnt im Kopf, denke ich und trete in die Pedale, auf Höhe der Fahrerin bremse ich, eisiger Blick meinerseits. Der bartlose Fahrer entschuldigt sich mit Handzeichen und weist mir den Vortritt zu. Formal und knapp grüsse ich zurück.


Teil 3 Der Nüsslikreisel

Heisst so, weil er von oben aussieht wie eine riesige Nuss – daher Nüssli. Die Gefahr geht hier vom sogenannten Gesetzgeber aus, der es sträflich unterliess, zu regeln, ob Velofahrende vor dem Kreisel in die Mitte einspuren müssen oder hinter der gelben Velolinie zu bleiben haben. Ganz der Profi, ziehe ich mittig rein, lasse ein Fahrzeug passieren, um in die nachfolgende Lücke hineinzustossen. Routinevorgang, wäre da nicht der Erzfeind jedes Velofahrers: der andere Velofahrer. Einer, der rechts in den Kreisel reinschiesst, um dann in vollendeter Dummheit mittig rauszufahren. Will ich den Crash (der Kulturen) vermeiden, muss ich eine Strafrunde durch das Riesennüssli drehen, wieder aufpassen, dass mich keiner plattwalzt, beileibe keine Selbstverständlichkeit. Im zweiten Anlauf gelingt das Husarenstück.
Ich habe es geschafft.
Ich bin hier.